Vom Formular zum Dialog: Neue Wege der Auftragserteilung in der Finanzbranche
Auf einen Blick
- Projektleiter/in : Andreas Barattiero, Raphael Bianchi, Elke Brucker-Kley, Marc Mallepell
- Co-Projektleiter/in : Adrian Moser
- Stellv. Projektleiter/in : Andri Färber
- Projektteam : Alexandre de Spindler
- Projektvolumen : CHF 280'000
- Projektstatus : abgeschlossen
- Drittmittelgeber : KTI (KTI-Projekt / Projekt Nr. 27130.1 PFES-ES)
- Projektpartner : Synpulse Schweiz AG, St.Galler Kantonalbank AG
- Kontaktperson : Elke Brucker-Kley
Beschreibung
Formulare bestimmen die Kommunikation zwischen Frontoffice und
Backoffice in Banken. Für Kundenberater ist dies herausfordernd, da
sie mit dem Kunden in einer dynamischen und gering strukturierten
Interaktionsbeziehung stehen, während das Backoffice
transaktionsorientiert und in hohem Masse formalisiert arbeitet.
Die Transformationsleistung erbringt der Kundenberater.
Kundenanliegen müssen verstanden, der auszulösende Geschäftsfall
erkannt, das richtige Formular gefunden, ausgefüllt und zur
Verarbeitung an die richtige Stelle im Backoffice weitergeleitet
werden. Gelingt dies nicht, unvollständig oder fehlerhaft oder
treten im Prozessverlauf Rückfragen auf, kommen unstrukturierte
E-Mails, Telefonate oder persönliche Gespräche zum Einsatz. Banken
haben sich mit dieser Situation arrangiert, Formulare sind Teil der
Kultur. Optimierungs- und Digitalisierungsbemühungen konzentrieren
sich bis heute auf die Bereitstellung und Verarbeitung von
Formularen im Prozess, ohne das Konzept „Formular“ grundlegend zu
hinterfragen. Die Vielfalt der schwach strukturierten
Kundenanliegen liefert zudem häufig keine überzeugenden Business
Cases für klassische Prozessautomatisierung oder die Entwicklung
einzelner Schnittstellen und Anwendungen für Front-End-Eingaben im
Kernbankensystem.
An diesem Punkt setzt die im Rahmen dieses Forschungsprojektes
entstandene prototypische Lösung auf. Mit ihr wird das
Formular-Paradigma zwischen Kundenberater und Backoffice
durchbrochen und die Grundvoraussetzung für weitere
Digitalisierungsschritte geschaffen. An die Stelle der Formulare
tritt ein Dialoganwendung, die den Kundenberater befähigt, in
möglichst wenigen Dialogschritten, den relevanten Geschäftsfall
auszuwählen, die minimal notwendigsten Instruktionen zu hinterlegen
und einen Auftrag auszulösen. Die validierten Aufträge werden an
die korrekte Stelle im Backoffice disponiert und manuell mutiert.
Für zwei Auftragstypen können die Aufträge mittels Robotic Process
Automation (RPA) durchgängig automatisiert front-to-back
abgewickelt werden.
Die prototypische Lösung wurde im Rahmen eines human-zentrischen
Vorgehens vom Forschungspartnerin ZHAW mit dem
Hauptumsetzungspartner Synpulse Schweiz AG und der
Pilotumsetzungspartnerin St. Galler Kantonalbank in einem
iterativen Prozess erarbeitet und getestet. Contextual Inquiries
mit Backoffice-Mitarbeitenden, Kundenberatern und
Kundenberater-Assistenten unterschiedlicher Profile lieferten die
Grundlagen für das Dialogdesign. Die untersuchten Geschäftsfälle
konnten auf der Grundlage der mit den Kundenberatern und
Assistenten identifizierten Problemszenarien auf granulare
Anwendungsfälle heruntergebrochen und prototypisch umgesetzt
werden. Die aus den Contextual Inquiries abgeleiteten
übergeordneten Akzeptanzkriterien (Schnelligkeit, reduzierte
Komplexität, Transparenz) und die darauf ausgerichteten
Interaktionsmuster konnten bei den Testings mit Kundenberatern und
Assistenten validiert werden.
Die Herausforderung ein konfigurierbares und erweiterbares Produkt
zu schaffen, stand im Fokus der zweiten Iteration. Während die
erste Iteration auf die Identifikation geeigneter
Interaktionsmuster ausgerichtet war, wurde der Prototyp im Rahmen
der zweiten Iteration in eine für die Bank konfigurierbare Lösung
verwandelt. Im Rahmen eines Enduser-Testings mit dem Backoffice
gelang es, eine neue Variante eines bestehenden Anwendungsfalls
abzubilden sowie einen neuen Anwendungsfall zu erstellen. Mit der
Konfigurierbarkeit der Lösung wurde nicht nur die Grundlage für ein
marktfähiges Produkt und somit die Realisierung des Business Cases
des Hauptumsetzungspartners geschaffen, sondern auch ein
Application Framework für semistrukturierte Dialoganwendungen. Das
Framework ist auf andere Domänen übertragbar und ermöglicht Entwurf
und Prototyping semistrukturierter Dialoganwendungen im Kontext
angewandter Forschung & Entwicklung.
Die abschliessende Iteration konzentrierte sich auf den Proof of
Value im Sinne einer durchgängigen Automatisierung. Auch wenn die
Relevanz der Lösung für die Zielgruppe kleiner und mittlerer Banken
bereits mit der intuitiven und schnellen Erstellung eines
vollständigen, korrekt disponierbaren und manuell ausführbaren
Auftrags gegeben ist, stellt die automatisierte Ausführung des
Auftrages mittels Robotic Process Automation (RPA) ein Zusatznutzen
dar. Auch mit Blick auf eine mögliche Erweiterung der Lösung in
Richtung Endkunden, die so einfache Aufträge ohne Einbezug des
Kundenberaters auslösen könnten, ist diese Durchgängigkeit
inklusive Echtzeitfeedback zum ausgeführten Auftrag
interessant.